Ein niederösterreichisches Straflager für minderjährige
Flüchtlinge ist die jüngste Episode aus der Reihe „In was für einem Land leben
wir eigentlich?“ Was noch vor kurzem undenkbar war, ist inzwischen Normalität.

Geographisch zwar an der Grenze, doch trotzdem mitten in Österreich steht eine „Einrichtung“ für minderjährige Flüchtlinge. Dort sind Jugendliche untergebracht, die als „notorische Unruhestifter“ bezeichnet werden. Und daher nimmt man sich das Recht heraus, sie mit Stacheldraht zu umzäunen, sie nicht aus dem Haus zu lassen und mit einem Hund zu bewachen. Das ist natürlich eine massive Kinderrechtsverletzung, wenn man Jugendliche, die nichts verbrochen haben, einfach einsperrt. Da gibt es gar keine Diskussion. Der zuständige Landesrat Waldhäusl gibt sich gar keine Mühe, diese Sache irgendwie zu verschleiern. Er gibt Auskunft über die „Einrichtung“, die von der Asylkoordination als „Internierungslager“ bezeichnet wird, er erzählt von einem Testbetrieb und von Evaluierungsergebnissen. Irgendwie ist auch niemand überrascht, immerhin ist es ein Projekt von Waldhäusl. Der Waldhäusl, der seine Bekanntheit vor allem durch die Warnung vor der Überfremdung unserer Tierheime durch ausländische Hunde erlangte. Der Landesrat mag zwar ein Quell für besonders originelle Bösartigkeiten sein, die Bösartigkeit selbst macht ihn doch noch lange nicht besonders. Was Waldhäusl tut, wie er denkt, was ihn antreibt, das ist in Österreich, in Europa und auf der ganzen Welt inzwischen Mainstream. Dass tagtäglich Jugendliche in Flugzeuge nach Kabul gesetzt werden, darüber verliert schon länger niemand mehr ein Wort. Ein deutscher Innenminister freut sich sogar noch darüber, wenn die Zahl derer, die er auf einen Schlag ins Kriegsgebiet abschiebt, zufällig genau sein Alter ergibt. 69 Menschen in Lebensgefahr, so ein lustiger Zufall aber auch, hihihi-hahaha.

Mehr als ein Achselzucken erzeugt dann eine solche Meldung
bei vielen schon gar nicht mehr, weil man gar nichts anderes mehr gewohnt ist.
Es sind seltene Momente, in denen man den Schritt zurück macht und sich diese
Geschehnisse tatsächlich auf der Zunge zergehen lässt. Wenn ein Dreijähriger
von seiner Mutter getrennt wird, weil sie mitten in der Nacht abgeschoben
werden sollen, dann muss man sich doch fragen: Warum tun wir so etwas? Oder ein
anderes Beispiel: Es gibt in Österreich junge Menschen, die den halben
Kontinent durchquert haben und sich entgegen aller Widerstände gut genug
integrieren, um in kürzester Zeit eine Lehrstelle zu bekommen. Was machen wir
mit diesen Jugendlichen? Richtig: Abschieben. Einfach so. Um Härte zu zeigen,
oder weil Recht Recht bleiben muss oder so.

Doch jetzt kommt die härteste Wahrheit von allen. Wir müssten das nicht tun. Niemand zwingt uns dazu. Wir sind in keinem Krieg, wir werden nicht überrannt, wir sind nicht in Gefahr. Das alles sind bewusste Entscheidungen, die die verantwortlichen Politiker Tag für Tag treffen. Es trifft sie ein Kanzler, der sich bei Kritik auch noch hinter den ausführenden Beamten versteckt, die seine Gesetze und Verordnungen exekutieren. Es trifft sie ein Innenminister, der junge Lehrlinge abschiebt, um die „Hintertür“ zur Integration zu schließen. Und es trifft sie ein Landesrat, der sein Internierungslager nicht mal mehr abstreitet. Sie alle haben sich gegen Humanität entschieden. Sie alle haben sich dafür entschieden, Härte zu zeigen, indem sie die Schwächsten drangsalieren. Sie alle haben sich dazu entschieden, die Boshaftigkeit, den Zynismus und die Unmenschlichkeit salonfähig zu machen. Ob dahinter feste Überzeugung oder reiner Machtopportunismus stehen, das ist letztendlich egal. Für uns Kinderfreunde ist klar, dass wir immer an der Seite jener stehen, die uns brauchen. An der Seite der getrennten Familie, der eingesperrten Jugendlichen und der abzuschiebenden Lehrlinge. Darauf bin ich stolz und es tut gut zu wissen, dass es trotz allem viele sind, die mit uns gemeinsam auf der richtigen Seite stehen und ähnlich denken und handeln. Und wenn es auch nur einen Funken Gerechtigkeit auf dieser Welt gibt, dann gibt es irgendwann im Leben der Kanzler, Innenminister und Landesräte ein ganz kurzes Aufflackern des eigenen Gewissens und einen klaren Blick auf sich selbst und ihr eigenes Tun. Eine schlimmere Strafe kann man ihnen gar nicht wünschen.