Time-Out-Klassen sind ein unausgegorener Lösungsvorschlag für ein Problem, dessen Lösung man schon kennt.

Wahrscheinlich haben Sie das Video gesehen: Ein Lehrer auf einer HTL gerät in einen Streit mit einem Schüler und es eskaliert so lang, bis der Lehrer den Schüler anspuckt. Das Video verstört, vor allem im Kontext weiterer Informationen und Videos, die eine monatelange Eskalationsspirale zwischen Schüler/innen und dem besagten Lehrer nachzeichnen. Es führte zu einem Aufschrei, der an sich schon ganz interessant ist: Nach einer kurzen Phase der Entrüstung über den Übergriff des Lehrers schlug die Stimmung sehr schnell gegen die Schüler und Schulverwaltung um. Das wundert mich, denn eines muss klar sein: Es gibt keine Rechtfertigung für einen Übergriff von einem Lehrer auf einen Schüler. Keine. Da bin ich nicht diskussionsbereit. Egal, was zuvor passiert ist, wer pädagogisch tätig ist, darf niemals Gewalt gegen Kinder und Jugendliche anwenden und seine Eignung für den Beruf ist von Grund auf zu hinterfragen. Punkt.Nachdem das gesagt ist, können wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Probleme dahinter liegen. Denn natürlich gibt es Situationen, in denen der Umgang mit Jugendlichen schwierig ist. In denen sie ihre Grenzen austesten und teilweise überschreiten. In denen sie richtig ungemütliche Gruppen bilden, die mobben, hänseln und richtig bösartig zu anderen Menschen sind. Das ist im Übrigen auch keine Neuigkeit und daher gibt es dafür auch einige Lösungsansätze: Sozialarbeiter/innen, die direkt in der Schule versuchen, zwischenmenschliche Probleme zu erkennen und die dahinterliegenden Ursachen zu bearbeiten. Psychologinnen, die Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen die Hilfe zukommen lassen, die sie brauchen. Oder die Verbesserung der pädagogischen Aus- und Weiterbildung von Lehrer/innen jeder Schulform – weil es eben nicht nur darum geht, das gelehrte Fachwissen zu besitzen, sondern das pädagogische Rüstzeug zu haben, mit Gruppen von Jugendlichen umgehen zu können. Und ganz einfach auch zusätzliches Lehrpersonal, um pädagogisch und methodisch beim Umgang mit den Jugendlichen helfen können.All das sind langfristige und nachhaltige Lösungen, mit denen man Dynamiken wie in der besagten Schule in Wien frühzeitig in den Griff bekommt. Man weiß genau, dass das die Maßnahmen sind, die wirklich helfen. Es sind leider auch genau jene Maßnahmen, die von der Bundesregierung gekürzt wurden: Mittel für Schulpsycholog/innen und Schulsozialarbeiter/innen wurden mit der Einführung der Deutschklassen massiv gestrichen, obwohl der Bedarf weiterhin groß ist – wie man an den Videos gut sehen kann.

Was der Bildungsminister angekündigt hat, ist dann das genaue Gegenteil und alles andere als eine nachhaltige Lösung: Er will so genannte „Time-Out-Klassen“ einführen, in die Schülerinnen und Schüler gesetzt werden, mit denen das Lehrpersonal nicht fertig wird. Man darf ihm dabei nicht auf den Leim gehen: Was er Time-Out-Klassen nennt, sind nach aktuellen Informationen nur Abstellräume für unangenehme Jugendliche. Sie haben nichts mit funktionierenden Konzepten zu tun, in denen Kinder temporär sozialarbeiterisch und sozialpädagogisch betreut werden.* Es scheint seine Patentlösung für alle Probleme sein, Kinder von einander zu trennen, siehe Deutschklassen oder Leistungsgruppen. Statt Probleme zu lösen, werden sie einfach weggeschoben. Das mag vielleicht schnellen Applaus vom Boulevard oder aufgebrachten Facebook-Gruppen bringen, es verfehlt jedoch die gesellschaftliche Aufgabe, die ein Politiker hat. Es ginge darum, Probleme rechtzeitig zu erkennen und sinnvolle Lösungen dazu zu entwickeln. Stattdessen nimmt man einen Eklat zum Anlass, um eine populistische Maßnahme umzusetzen, von der man schon vorher weiß, dass damit nichts gelöst ist. Er hat zwar schnell reagiert, aber eine Vielzahl von Expert/innen zweifelt stark daran, dass das etwas bringen kann. Doch ein Time-Out kann auch etwas Gutes sein: Es gibt einem die Möglichkeit, in Ruhe über etwas nachzudenken. Man kann das eigene Handeln reflektieren und sich damit beschäftigen, was man besser machen kann. Wenn man das so liest, wäre das vielleicht genau das Richtige: Einfach nochmal hinsetzen und nachdenken, was den Schüler/innen und den Lehrer/innen wirklich hilft. Ein Time-Out für den Minister.