Die „familienpolitischen“ Pläne des ungarischen Premierministers Viktor Orbán, die in den letzten Tagen weltweit durch die Medien gingen, wirken wie aus einer anderen Zeit.

In aller Kürze zusammengefasst: Ungarische Frauen werden „belohnt“, wenn sie sich bereit erklären zu gebären. Zu diesen Belohnungen gehört ein erleichterter Zugang zu einem Kredit (in Höhe von 31.000€), wenn sie zum ersten Mal heiraten, wenn sie drei Kinder bekommen, müssen sie ihn gar nicht mehr zurückzahlen. Ab dem vierten Kind werden Frauen von der Einkommenssteuer befreit, außerdem gibt es steuerliche Erleichterungen auf Autos mit sieben Sitzen und andere Kuriositäten. Wie perfide diese Regelungen sind, wird sichtbar, wenn man genau hinschaut: Zu allererst natürlich die Tatsache, dass es ausschließlich um ungarische Frauen handelt, die mit diesen Anreizen zum Heiraten und Kinderkriegen gebracht werden sollen. Dem zu Grunde liegt Orbans tief verwurzelte Angst vor „Durchmischung“ und „Umvolkung“, die in der Geschichte dieses Kontintents schon mehrfach zur Katastrophe geführt hat.

Doch das ist nicht die einzige Problematik: Wenn Frauen einen Kredit bekommen, wenn sie sich in eine Lebensgemeinschaft begeben, dann ist das ein Schritt in Richtung Abhängigkeit. Wenn der Weg zur Tilgung des Kredits über die Gründung einer Mehrkindfamilie führt, dann ist klar beschrieben, welche Rolle man sich für die Frau in der Gesellschaft vorstellt. Und wenn all diese Leistungen nur für die erste Ehe gelten und unverheiratete und wiederverheiratete Mütter durch die Finger schauen, dann entspricht das einem Gesellschaftsbild aus dem vorigen Jahrtausend. Besonders interessant ist, dass in Fragen des Kredits, seiner Rückzahlung und der Anzahl der Vor-Ehen auf einmal der Mann überhaupt keine Rolle mehr spielt. Er kann heiraten, sich scheiden lassen, nochmal heiraten, mehrere Familien gründen und unterstützen, völlig frei und unbelastet, während die Frauen auf einem Kredit sitzenbleiben und in Patchwork-Settings oder in zweiten Ehen dann plötzlich als Familien zweiter Klasse behandelt werden.

All das vertritt Viktor Orban aus tiefster Überzeugung und es ist zutiefst empörend, dass eine solche Politik im Jahr 2019 mitten in Europa möglich ist. Doch für mich ist auch klar: Diese Maßnahmen werden nicht funktionieren. Wenn man will, dass Menschen eine Familie gründen, dann funktioniert das nicht, in denen man sie in sein Weltbild presst und ihnen finanzielle Anreize für das Gebären schafft. Es geht viel mehr um ein familienfreundliches Umfeld. Dazu gehört natürlich finanzielle Unterstützung, aber noch viel mehr die Aussicht auf ein gutes Leben für sich selbst als Eltern(teil) und für die eigenen Kinder. Die Chance, sich nach seinen eigenen Wünschen und Möglichkeiten zu entfalten, sein eigenes Umfeld mitzugestalten und als Familie mit all seinen eigenen Bedürfnissen wahrgenommen und unterstützt zu werden. Ein Land, das in Richtung einer illiberalen Demokratie driftet, kann das nicht bieten. Es ist der viel zu enge Rahmen, in dem man Familie verstehen will, der die Menschen von der Gründung einer Familie abhält. Es ist das Fehlen von Zukunftschancen und Perspektiven auf ein gemeinsames, freies Leben.

All das fehlt den Ungarn und keine Gebärprämie und kein Geburtskredit der Welt können das jemals wettmachen. Viktor Orban und seine österreichischen Parteifreunde von der ÖVP haben das nicht begriffen. Und das ist es, was uns so massiv von Leuten wie Orban oder Kurz unterscheidet. Für uns ist ein gutes Leben kein Elitenprogramm für die Kinder reicher, weißer, erstverheirateter Eltern. Wir glauben nicht an Gebärkredite, mit denen man Frauen in Abhängigkeit und in Rollenbilder des vorigen Jahrtausends zwängt. Wir stehen für eine familienfreundliche Gesellschaft, die die richtigen Rahmenbedingungen für ALLE Familien schafft. Weil Familien schon jetzt so bunt wie das Leben selbst sind und keine Lust auf Schablonen oder althergebrachte Familienmodelldiskussionen haben. Es ist höchst an der Zeit, dass auch Orban und seine Freunde diese Realität endlich anerkennen.